Rechercheprojekt deckt strukturelle Gewalt in Heimen auf

Schwarzer Hintergrund, darauf in weißer Schrift: #AbleismusTötet. Ein journalistisches Rechercheprojekt der Behinderten- und  Menschrechtsorganisation AbilityWatch e.V.

Heute vor einem Jahr tötete eine Pflegerin vier Menschen in einer Potsdamer Wohneinrichtung für Menschen mit Behinderung. Die Behinderten- und Menschenrechtsorganisation AbilityWatch e.V. hat vor diesem erschütternden Hintergrund heute die Ergebnisse einer umfangreichen journalistischen Recherche zu Gewalt in vollstationären Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderung veröffentlicht. Die Recherche zeigt: Gewalttaten an behinderten Menschen sind in diesen Einrichtungen keine vermeintlichen Einzelfälle. Und es gibt kaum externe und unabhängige Hilfsangebote und Beratungsstellen für die von Gewalt betroffenen Menschen. Das Projekt #AbleismusTötet hat einen Forderungskatalog entwickelt, der sich an die Politik richtet und von verschiedenen Organisationen unterstützt wird. Auch wir Sozialheld*innen schließen uns den Forderungen an.

„Ich finde es unmöglich, dass bis heute kaum die Perspektive behinderter Menschen in der Berichterstattung über Gewalt in Behindertenheimen aufgegriffen wird”, sagt Raúl Krauthausen, der das Projekt mit ins Leben gerufen hat. “Ständig ist von Einzelfällen die Rede. Dabei hat Gewalt in Heimen Struktur, die abgeschafft werden muss.“ Unter der Leitung von Constantin Grosch, Raúl Krauthausen und Chefredakteur Sebastian Pertsch nahm deshalb ein interdisziplinäres Team aus Journalist*innen, Autor*innen auch Wissenschaftler*innen im Sommer 2021 seine Arbeit auf, um systematisch Fälle von Gewalt in Wohnheimen für Menschen mit Behinderungen zu recherchieren.

Keine Einzelfälle

Die Bilanz des Projekts ist erschreckend: 91 Betroffene, 209 Täter*innen, 36 Einrichtungen. Dabei geht das Team stark davon aus, dass die Dunkelziffer weitaus höher liegt und in den nächsten Monaten weitere Fälle dazukommen werden. Alle Gewalttaten wurden nach strengen journalistischen Kriterien einwandfrei recherchiert und präzise ausgewertet. Die Dokumentation zeigt erstmalig in Deutschland das große Ausmaß von niedrigschwelliger bis hin zu schwerer psychischer, körperlicher und sexualisierter Gewalt in Einrichtungen auf.

Ratgeber mit Hilfsangebote

Zusätzlich zu der Recherche der Gewaltfälle, hat das Team von #AbleismusTötet einen umfangreichen Ratgeber für Betroffene und Angehörige von Gewaltfällen, aber auch für Mitbewohnerinnen und Mitarbeiterinnen, die Gewalt an behinderten Personen in Einrichtungen beobachten oder anderweitig mitbekommen, entwickelt. In diesem Ratgeber werden einerseits Hilfsangebote und Beratungsstellen in allen Bundesländern aufgeführt. Andererseits empfiehlt eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, was nach einer Gewalttat zu tun ist – und welche präventiven Vorkehrungen es gibt.

Forderung an die Politik

Darüber hinaus werden 10 konkrete Maßnahmen vorgeschlagen, um die Situation in vollstationären Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen kurzfristig zu verbessern. Mittelfristig müssen die vollstationäre Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen allerdings ganz abgeschafft werden, fordern Menschenrechts- und Behindertenorganisationen, die sich #AbleismusTötet wie wir Sozialheld*innen angeschlossen haben.

Weitere News

Foto von Sven Papenbrock. Er steht mit seinem Rollstuhl vor einer Leinwand. Er ist gerade dabei, etwas zu erzählen. Um ihn herum sitzen weitere Menschen, die im aufmerksam zuhören.

“Die Politik soll die Betreiber von Werkstätten verpflichten, den Mindestlohn einzuführen”

Sven Papenbrock gibt Empowerment-Workshops für Beschäftigte in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen.Sven Papenbrock gab mit seinen beiden Kolleginnen vom Sozialhelden e.V.  den ersten Empowerment-Workshop in einer Berliner Werkstatt für Menschen mit...
Foto von einer Person, die ein Stethoskop hält und daraus ein Herz formt.

Barrierefreiheit in Arztpraxen: Workshop für Ärzt*innen und medizinisches Personal

Von der Stufe am Eingang der Arztpraxis bis hin zur Dolmetschung des Ärzt*innengesprächs in Gebärdensprache - geht es um die Barrierefreiheit in der medizinischen Versorgung, gibt es vieles zu bedenken. Um Ärzt*innen und medizinischem Personal den Einstieg in das...
Links unten eine Grafik von einer Hand, die ein Handy hält. Auf dem Handy sind Textblöcke und rote Häkchen abgebildet. Über der Grafik folgender Text: "Wie barrierefrei sind unsere Behörden? Nimm teil an unserer Umfrage!" Unten rechts das Logo der Sozialheld*innen.

Noch bis 30.11. mitmachen: Wie barrierefrei sind unsere Bundesbehörden?

Ob bei der Bundesagentur für Arbeit, den gesetzlichen Krankenkassen, oder der Bundeszentrale für politische Bildung: Die Webseiten, digitalen Angebote, Dokumente und die Kommunikation mit den Behörden muss laut des Behindertengleichstellungsgesetzes barrierefrei...
Foto von einem See mit Sandstrand beim Sonnenuntergang. Im Sand liegen verschiedene leere Pfandflaschen, ein Handtuch und eine Sonnenbrille.

Hole mehr aus deiner Flasche als eine Erfrischung

Im Sommer trinken wir im Durchschnitt 2 bis 3 Liter pro Tag, dabei kommt jede Menge Pfand zusammen. Hast du schonmal überlegt, deine Pfandflaschen zu spenden? Über PFANDGEBEN kannst du leere Pfandflaschen, -dosen und -kästen direkt an Pfandsammelnde abgeben. Ob von...