Nur zwei Prozent aller Wohnungen barrierefrei
Sozialheld*innen und WOHN:SINN e.v. fordern Ausbau und Förderung von inklusiven Wohnmöglichkeiten
[Berlin/ München – 04.05.2022] – Anlässlich des Europäischen Protesttags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung am 5. Mai fordern die Sozialheld*innen und der WOHN:SINN e.V. die Bundesregierung auf, den Ausbau von bezahlbarem, barrierefreien Wohnraum drastisch zu beschleunigen. Nur so könne sie Menschen mit Behinderungen ermöglichen, ihr Recht auf selbstbestimmtes Wohnen zu verwirklichen. Eine kürzlich veröffentlichte Recherche des Vereins Ability Watch zu Gewaltfällen in stationären Wohneinrichtungen macht deutlich, wie dringend inklusive Wohnformen gebraucht werden.
Frei wählen zu können, wo, wie und mit wem man zusammenleben möchte – für viele Menschen mit Behinderungen ist das nach wie vor nicht möglich. Ein gravierender Faktor: der massive Mangel an geeignetem Wohnraum. Nur etwa zwei Prozent der Wohnungen und Einfamilienhäuser in Deutschland sind barrierefrei zugänglich, wie das Mikrozensus-Zusatzprogramm „Wohnen“ des Statistischen Bundesamtes ergab. „Die Wohnungssuche ist schon ein totales Desaster, wenn es um einen stufenlosen Zugang geht. Kommen weitere Barrieren und ein komplexer Unterstützungsbedarf dazu, ist sie quasi aussichtslos“, sagt Adina Hermann, Vorständin bei den Sozialheld*innen. „Für viele Betroffene ist die einzige Alternative zur erfolglosen Wohnungssuche dann das Wohnheim. Das hat mit selbstbestimmtem Wohnen nichts mehr zu tun.“
Wie dringend alternative Wohnformen zum Heim gebraucht werden, weiß Tobias Polsfuß, Geschäftsführer des WOHN:SINN – Bündnis für inklusives Wohnen e.V.. Seit 2020 berät er mit seinem Verein Anbieter der Behindertenhilfe und private Projektgruppen bei der Gründung inklusiver Wohnprojekte. „Der Bedarf an barrierefreiem Wohnraum ist enorm und er wächst stetig mit der alternden Bevölkerung“, sagt Tobias Polsfuß. Am Willen oder an Konzepten, barrierefreie und inklusive Wohnorte zu schaffen, scheitere es nicht. „Ich kenne viele Projekte, die zeigen, dass Menschen mit Behinderung in der Mitte der Gesellschaft leben können, auch wenn sie Tag und Nacht Assistenz und Pflege benötigen.“ Für eine flächendeckende Verbreitung solcher Konzepte fehle es aber an finanziellen Förderungen sowie niedrigschwelligen Informations- und Beratungsangeboten. „Wohnungsunternehmen erklären uns immer wieder, dass sie sich beim barrierefreien und inklusiven Bauen alleingelassen fühlen. Bund und Länder müssen deshalb Kompetenzzentren für inklusives Wohnen schaffen und ihre Förderungen neu ausrichten, sodass sie nicht länger Wohnheime, sondern inklusive Projekte begünstigen.“ Außerdem erwarte er, dass die Ampel-Koalition die im Koalitionsvertrag geplante neue Wohngemeinnützigkeit konsequent an Barrierefreiheit und die Kooperation mit sozialen Diensten knüpft.
Auch das Deutsche Institut für Menschenrechte hat die Bundesregierung bereits aufgefordert, den eklatanten Mangel an barrierefreiem Wohnraum zu beheben und ambulante Wohnformen zu fördern. Stationäre Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen seien davon geprägt, zu unterschiedlichen Formen von Gewalt zu führen. Wie gravierend das Problem ist, zeigt das kürzlich veröffentlichte Rechercheprojekt #AbleismusTötet von AbilityWatch e.V. Dabei wurde erstmalig in Deutschland das große Ausmaß von niedrigschwelliger bis hin zu schwerer psychischer, körperlicher und sexualisierter Gewalt in vollstationären Einrichtungen für Menschen mit Behinderung aufgezeigt.
Pressefotos
Bitte nennen Sie die Fotograf:innen, die in der Dateibezeichnung angegeben sind.
https://bit.ly/pressefotos-wohnen (Passwort: WOHN:SINN)
Weitere Informationen
Inklusives Wohnen erklärt: https://www.wohnsinn.org/inklusives-wohnen-erklaert/fuer-politik-und-wissenschaft
Rechercheprojekt #AbleismusTötet: https://ableismus.de/toetet/de
Ansprechpartner*innen für Medienanfragen:
Simone Katter, Leitung Kommunikation Sozialheld*innen, [email protected], 0177-8790635
Tobias Polsfuß, Geschäftsführer WOHN:SINN e.V., [email protected], 089-890 559 821
Tipps für Medienschaffende zur Berichterstattung über Behinderung:
Liste mit gängigen Sätzen über Behinderung, anders formuliert
Tapferkeit, Leid und Heldentum: Wie Sie Klischees beim Schreiben über Behinderung vermeiden
Über die Sozialheld*innen
Die Sozialheld*innen arbeiten seit über 15 Jahren an Lösungen für mehr Teilhabe und Barrierefreiheit. Als Expert*innen in eigener Sache starten sie politische Kampagnen, entwickeln Apps und Technologien und geben ihr Wissen an Unternehmen und Organisationen weiter. So treibt der Berliner Verein das Disability Mainstreaming voran. Dafür wurden die Sozialheld*innen unter anderem mit dem Deutschen Engagementpreis, dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis, dem Deutschen Bürgerpreis und dem Smart Accessibility Award ausgezeichnet. Gründer des Vereins ist der bekannte Inklusions-Aktivist Raul Krauthausen, der für sein Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. Mehr über den Sozialhelden e.V. erfahren Sie hier: www.sozialhelden.de
Über WOHN:SINN – Bündnis für inklusives Wohnen e.V.
WOHN:SINN e.V. ist ein junges Bündnis von Akteuren des inklusiven Wohnens aus dem deutschsprachigen Raum. Ziel des Vereins ist es, die Wohnsituation von Menschen mit Behinderungen in Deutschland nachhaltig zu verändern. Menschen mit Behinderungen sollen selbstbestimmt und in aktiver Gemeinschaft mit anderen leben können, zum Beispiel in inklusiven WGs, Hausgemeinschaften oder Nachbarschaften. Mehr über WOHN:SINN erfahren Sie hier: www.wohnsinn.org
Pressekontakt Sozialheld*innen:
Simone Katter, Leitung Kommunikation
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