Weißer Hintergrund. Rechts eine Grafik von einer Blutkonserve. Links der Text: "Umfrage zeigt: fehlende Barrierefreiheit führt dazu, dass Menschen mit Behinderungen bei der Blutspende ausgeschlossen werden." Rechts unten das Logo der Sozialheld*innen

Weiter unten findet ihr den Text in Einfacher Sprache.

Werden Menschen mit Behinderungen bei der Blutspende diskriminiert? Wir wollten herausfinden, ob die an uns gemeldeten Erfahrungen Einzelfälle sind, oder ob Menschen mit Behinderung tatsächlich häufig von Blutspenden ausgeschlossen werden, auch wenn keine medizinischen Gründe gegen eine Spende sprechen. Dazu haben wir eine Umfrage gestartet und jetzt liegen uns die Ergebnisse vor. Insgesamt haben 78 Personen an der Umfrage teilgenommen. 38 Personen, also 49 % und damit fast die Hälfte der Befragten, haben angegeben, dass sie kein Blut spenden durften, obwohl sie das wollten. 

Menschen mit Seh- und Hörbehinderungen werden ausgeschlossen

Doch auch bei denjenigen, die gespendet haben, verlief die Spende nicht immer reibungslos. So berichten vor allem blinde Personen, dass ihnen nur widerwillig oder erst nach mehreren Versuchen beim Ausfüllen der Formulare geholfen wurde. In 6 Fällen wurden blinde Personen abgewiesen, mit der Begründung, der Fragebogen könne nicht eigenständig gelesen und ausgefüllt werden. 8 Personen berichten hingegen, dass ihnen vor Ort der Fragebogen vorgelesen wurde und sie beim Ausfüllen unterstützt wurden. Auffällig war auch, dass bei einer schriftlichen Nachfrage andere Gründe für den Ausschluss mitgeteilt wurden als bei der Ablehnung vor Ort. So berichtet eine Person, dass zunächst die Augenerkrankung und mögliche Risiken als Grund benannt wurde, was die behandelnde Augenärztin nicht bestätigen konnte. Auf eine schriftliche Beschwerde beim Blutspendedienst erhielt sie die Antwort, eine Spende sei nicht möglich, weil sie die Formulare nicht selbstständig ausfüllen könne.

Schwerhörige und gehörlose Personen machten bei der Blutspende ebenfalls ganz unterschiedliche Erfahrungen. Die Ablehnung wurde teilweise damit begründet, dass die Kommunikation mit dem medizinischen Personal nicht sichergestellt sei, gerade im Hinblick auf Komplikationen wie Schwindel oder Ohnmacht. Bei etwas mehr als der Hälfte der Teilnehmer*innen war die Hörbehinderung an sich kein Ausschlussgrund.

Unter den Befragten gab es auch Personen, die aufgrund von Begleiterscheinungen ihrer Behinderung nicht spenden durften. Dazu zählen Untergewicht, Blutgerinnungsstörungen und die Einnahme bestimmter Medikamente bei Erkrankungen, wie beispielsweise Multipler Sklerose. Auch Menschen mit Epilepsie und anderen Erkrankungen des Zentralnervensystems berichten, sie dürften kein Blut spenden. In diesen Fällen ist der Ausschluss zumindest nach der Hämotherapie-Richtlinie gerechtfertigt, da Personen mit einem Gewicht unter 50 kg oder mit Erkrankungen des Zentralnervensystems kein Blut spenden dürfen. Die Regelungen der Hämotherapie-Richtlinie sollen sicherstellen, dass die Spende sowohl für Empfänger*innen als auch Spender*innen zu keinem gesundheitlichen Risiko führt.

Fehlende Barrierefreiheit sorgt für Ausschlüsse

Zusammenfassend stellen wir fest, dass die Blutspende für Menschen mit Behinderung oft an kommunikativen und technischen Hürden scheitert. In vielen Einrichtungen ist es Voraussetzung, dass der Anamnesebogen eigenhändig vor Ort ausgefüllt wird. Das betrifft blinde und sehbehinderte Menschen, die so praktisch keine Möglichkeit haben, ihre gesundheitliche Eignung zu bestätigen. Es gab aber auch einige Fälle, in denen die Blutspende trotzdem möglich gemacht wurde, entweder durch die Unterstützung durch eine Begleitperson oder das medizinische Personal. Der Blutspendedienst des DRK West erklärt auf seiner Internetseite, dass blinde Menschen grundsätzlich Blut spenden können, und dass das Ausfüllen der Dokumente aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht auch durch das ärztliche Personal erfolgen kann. Der Großteil der Teilnehmenden an unserer Umfrage bekam bei den Blutspendediensten des DRK die Möglichkeit zu spenden. Problematischer war die Situation in Krankenhäusern und Kliniken. Die meisten Ablehnungen gab es jedoch beim privaten Blutspendedienst Haema, hier konnte keine der befragten Personen Blut spenden.

Unsere Forderungen: Wie Barrieren beim Blutspenden abgebaut werden können

Medizinisches Personal sensibilisieren

Ein Grund für die Ablehnung behinderter Menschen beim Blutspenden ist sicherlich auch Unwissenheit oder Überforderung des medizinischen Personals. Eine Teilnehmerin berichtete, man habe ihr gesagt, schwerbehinderte Menschen könnten grundsätzlich kein Blut spenden. Das ist faktisch falsch und eine Sensibilisierung wäre hier notwendig. So ließen sich auch Fälle vermeiden, in denen den Spender*innen unangebrachte, ableistische Fragen gestellt werden oder das Personal generell ablehnend reagiert. Wenn eine Person zwar Blut spenden darf, sich aber permanent durch die Behandlung des Personals unerwünscht fühlt, wird die Spendenbereitschaft abnehmen.

Angemessene Vorkehrungen und klare Regelungen treffen

Natürlich ist es richtig, dass Spendenwillige vor jeder Spende individuell überprüft werden, um Risiken für beide Seiten zu minimieren. Aus unserer Sicht wäre es deshalb wichtig, eine Formulierung in der Hämotherapie-Richtlinien zu ergänzen, die explizit besagt, dass Personen nicht grundsätzlich wegen einer Behinderung von der Spende ausgeschlossen werden dürfen. Das schließt die Prüfung der gesundheitlichen Eignung nicht aus.

Barrierefreien Zugang schaffen

Darüber hinaus ist es notwendig, dass jede Einrichtung, die Blutspenden durchführt, dafür sorgt, dass alle für eine Blutspende infrage kommenden Personen diese auch abgeben können. Das erfordert nicht nur räumliche Barrierefreiheit, sondern zum Beispiel auch die Bereitstellung von elektronisch ausfüllbaren Dokumenten. Das Paul-Ehrlich-Institut stellt auf seiner Internetseite einen einheitlichen Musterfragebogen als Word-Dokument zur Verfügung, der von Blutspendeeinrichtungen genutzt werden kann. Dieser könnte zu Hause am Computer ausgefüllt und vor Ort noch einmal geprüft und unterschrieben werden. Auch für Menschen, die Gebärdensprache sprechen, sollte die Blutspende mit Unterstützung durch Dolmetscher*innen für Gebärdensprache ermöglicht werden. Dies könnte zur Not auch an festen Terminen geschehen, wie in einem 2012 durchgeführten Pilotprojekt des UKE Hamburg.

Antidiskriminierungsstelle kann helfen

Die Antworten auf unsere Umfrage zeigen, dass es in manchen Fällen mehrere Anläufe und die Lenkung der öffentlichen Aufmerksamkeit auf das Thema braucht. Wer das Gefühl hat, wegen seiner Behinderung bei der Blutspende diskriminiert worden zu sein, kann und sollte sich jederzeit an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden. Sie steht beratend zur Seite und kann auch an regionale Ansprechpartner*innen vermitteln. Für die Beratung dürfen die Fälle nicht länger als zwei Monate zurückliegen, werden aber in jedem Fall in die Statistik aufgenommen.

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Wir wollen, dass möglichst viele Menschen von der fehlenden Barrierefreiheit beim Blutspenden erfahren. Wenn viele Menschen den Beitrag in ihren Netzwerken teilen, bekommen Entscheidungszräger*innen und auch sicher Personal in den Blutspendeeinrichtungen etwas davon mit und wir können so etwas verändern.

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Text in Einfacher Sprache

Wir wollten wissen:
Werden Menschen mit Behinderung oft von der Blutspende ausgeschlossen?
Auch wenn sie keinen Grund haben?
Wir haben eine Umfrage gemacht.
An der Umfrage haben 78 Personen teilgenommen.
Vielen Dank für eure Hilfe!
Und vielen Dank für eure Antworten.
Von den Personen haben fast 50 Prozent gesagt:
Sie wollten Blut spenden.
Aber sie durften trotzdem nicht spenden.
Das hat die Personen sehr enttäuscht.
Viele Personen haben aber auch gespendet.
Das war nicht immer einfach.
Zum Beispiel:
– Blinde Personen haben oft lange auf Hilfe beim Ausfüllen von Formularen warten müssen.
– Oder sie mussten an anderen Orten fragen.
Oft durften sie nicht spenden.
Oft wurde ihnen später ein anderer Grund gesagt.
Schwerhörige Menschen werden auch oft abgelehnt bei der Blutspende.
Das heißt:
Sie dürfen nicht Blut spenden.
Schwerhörige Menschen können die Ärzte nicht hören.
Und sie können vielleicht nicht mit den Ärzten sprechen.
Das ist ein Problem.
Vielleicht müssen die Ärzte etwas sagen.
Zum Beispiel:
– Wenn etwas schief geht bei der Spende.
– Wenn etwas schief geht bei einer Behandlung.
Aber die schwerhörigen Menschen können die Ärzte nicht hören.
Deshalb dürfen sie nicht Blut spenden.
Aber nicht alle schwerhörigen Menschen wurden abgelehnt.
Viele hatten kein Problem.
Es gibt auch Menschen,
die nicht spenden dürfen.
Zum Beispiel:
– Menschen mit einer sehr niedrigen Gewichtszahl.
– Menschen mit Blutgerinnungsstörungen.
– Menschen, die bestimmte Medikamente nehmen.
Zum Beispiel bei der Multiplen Sklerose.
– Menschen mit Epilepsie.
– Menschen mit anderen Krankheiten im Zentralnervensystem.
Diese Menschen dürfen kein Blut spenden.
Das ist sicherer für sie.
Das steht so in den Richtlinien für die Blutspende.
Wir haben gefragt:
Wie kann man die Blutspende für Menschen mit Behinderung verbessern?
Das haben wir herausgefunden:
Manche Menschen mit Behinderung können kein Blut spenden.
Das liegt daran:
– Die Infos für die Blutspende müssen manuell ausgefüllt werden.
Das heißt:
Die Menschen müssen selbst schreiben.
Blinde und sehbehinderte Menschen können das nicht.
– Die Menschen müssen den Fragebogen selbst ausfüllen.
– Die Menschen brauchen eine Begleitperson bei der Blutspende.
– Oder das medizinische Personal hilft bei der Blutspende.
Das Rote Kreuz sagt:
Blinde Menschen können Blut spenden.
Die Menschen können die Formulare auch von einem Arzt ausfüllen lassen.
Das Arztpersonal kann dann die Infos weitergeben.
Wir haben gefragt:
Konnten Sie beim Roten Kreuz Blut spenden?
Die meisten Menschen haben ja gesagt.
In Krankenhäusern und Kliniken war die Situation schwierig.
Am schwierigsten war es aber bei Haema.
Haema ist ein privater Dienst zum Blut spenden.
Hier durften Menschen mit Behinderung kein Blut spenden.
Ein Grund für die Ablehnung ist oft Überforderung.
Manchmal weiß das Personal auch nichts über Menschen mit Behinderung.
Dabei würde Aufklärung helfen.
Wir fordern:
– Alle Einrichtungen sollten die gleichen Regeln haben.
– Sie müssen barrierefrei sein.
– Dokumente müssen am Computer ausgefüllt werden können.
Es gibt einen barrierefreien Fragebogen vom Paul-Ehrlich-Institut.
Einrichtungen können den Fragebogen verwenden.
Auch gehörlose Menschen müssen Blut spenden dürfen.
Sie brauchen Gebärdensprachdolmetscher.
Gebärdensprachdolmetscher können beim Termin dabei sein.
Manchmal braucht man mehrere Versuche.
Man kann sich immer an die Anti·diskriminierungs·stelle wenden.
Dort wird man beraten.
Und das Thema bekommt Aufmerksamkeit.

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